Im Rahmen von Kein Schlussstrich! wird das im April 2014 im Marstall uraufgeführte Stück „Urteile“, das als erstes Stück im deutschsprachigen Raum aus Perspektive der Hinterbliebenen der
Mordopfer erzählt, von Christine Umpfenbach mit neuer Besetzung in Form eines Reenactment und als Fortführung ins Jetzt wieder auf die Bühne gebracht. Am 29. August 2001 wurde Habil Kılıç in seinem Obst- und Gemüseladen in München-Ramersdorf ermordet. Als Tatmotiv galt „organisierte Kriminalität“. Am 15. Juni 2005 wurde Theodoros Boulgarides in seinem Geschäft im Münchner Westend erschossen. Die Zeitungen titelten: „Türkenmafia schlug wieder zu.“ Anstatt trauern zu dürfen, wurden die betroffenen Familien von Sicherheitsbehörden, Medien, aber auch von ihrem unmittelbaren Umfeld jahrelang zu Unrecht verdächtigt. Das Stück thematisiert, was
die Hinterbliebenen in München bis zum Öffentlichwerden der Täter:innen erleben mussten. Erweitert wird diese Fragestellung um eine Betrachtung aus dem Jahr 2021: Wie denken und fühlen die Betroffenen über die Ereignisse und den Prozess heute?

Die Spuren des NSU sieht man schwer. Trotzdem sind sie da. Du findest sie an Gebäuden, beim Blick aus dem Fenster der Tram, hinter Gardinen oder im Kopf deines Gegenübers. Was sieht man, was will man (nicht) sehen? In »(Un)Sichtbare Spuren« bist du alleine in Jena unterwegs. In der Stadt hörst du in einer Mischung aus Interviews und Erzählung von Menschen, die von den verschiedensten Spuren in der Stadt erzählen. Während du dich durch Jena bewegst entscheidest du, ob du lieber Spuren hinterlassen oder (un)sichtbare Spuren suchen willst. 

Genaue Informationen auf www.theaterhaus-jena.de

Im Rahmen einer szenischen Lesung, die das Dietrich Keuning-Haus Dortmund in Zusammenarbeit mit dem Schauspiel Dortmund realisiert, wird die Liebesgeschichte von Mehmet Kubaşık und seiner Frau Elif aufgegriffen. Frau Kubaşık und ihr Mann verliebten sich einst, aber die Familien waren gegen die Beziehung. So verabredeten sie sich zu einer sog. Entführung und kehrten erst wieder zurück, nachdem beide Familien widerwillig ihr Einverständnis gegeben hatten.

O lege, Geliebter,
den Kopf in die Hände
und höre, ich sing‘ dir ein Lied.
Ich sing‘ dir von Weh und von Tod und vom Ende,
ich sing‘ dir vom Glücke, das schied.
Selma Meerbaum-Eisinger

„Ich habe keine Zeit gehabt zu Ende zu schreiben“, waren 1941 die letzten Worte der jungen Poetin Selma Meerbaum-Eisinger aus dem deutschen Arbeitslager von Michailowska. Da war sie gerade 18 Jahre alt. Ein Album mit ihren Gedichten konnte von Freunden gerettet werden und reiste später jahrelang durch Europa – bis ihre Worte schließlich wiederentdeckt wurden. Heute gilt Selma Meerbaum-Eisinger durch ihre Wortklarheit und Liebe zur Dichtung neben Paul Celan und Rose Ausländer als die wichtigste jüdische Autorin der Bukowina.

Wir haben uns auf Spurensuche begeben, um eine Selma 2.0 zu erschaffen. Gemeinsam mit jungen Leuten und Künstler:innen wollten wir herausfinden, was uns Selmas Lyrik heute und hier sagt. Was wäre, wenn Selma in Chemnitz auf die Suche nach ihren Gedichten ginge? Was würde sie vorfinden?

digital auf Instagram unter
SELMA#Wanted
(https://www.instagram.com/selma.wanted.chemnitz)

In Kooperation mit Künstler:innen der freien Szene Chemnitz und Chemnitzer Jugendlichen sowie der deutsch-tschechischen COLTURE COMPANY | Mit freundlicher Unterstützung durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, Deutscher Bühnenverein / Landesverband Sachsen und Lokaler Aktionsplan Chemnitz. | Gefördert durch das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“

Es ist heiß in Heilbronn. Die Hundstage im Juli  machen aus der Industriestadt im Neckar­tal einen dampfenden, brodelnden Kessel, in dem es nach Suppe riecht. Von Donnerstagabend bis Sonntagmorgen läuft Kemal Arslan durch die Stadt, in der er aufgewachsen ist. Und der er schon einmal den Rücken gekehrt hatte. Der Traum von der Profifußballkarriere beim türkischen Erstligisten Gaziantepspor allerdings ist geplatzt. Kemal hatte sich zu einem Autorennen provozieren lassen. Es kam zu einem bösen Unfall mit seinem geliebten Sportwagen – und zu einer schlimmen Fußverletzung.

Nun ist er zwischen Allee und Theresienwiese, Heilbronn-Ost und Hawaii auf der Suche nach (s)einem Platz im Leben und wohl auch nach sich selbst. Er trifft sich mit einem halbseidenen Jungunternehmer, bei dem ihm sein Vater einen Job verschaffen will, zockt mit alten Kumpels und versucht, seine frühere Freundin Sina wiederzuerobern. Währenddessen heizt sich der Konflikt zwischen der nationalistischen Bürgerwehr HWA („Heilbronn, wach auf“) und der Gang der Kankas („Blutsbrüder“) auf und mündet in eine Straßenschlacht auf der Allee. Kemal erkennt, dass er zwischen allen Stühlen sitzt und sich den ganzen Zuschreibungen der anderen Menschen entziehen will. Es muss sich etwas ändern. Er muss sich ändern.

Mit seinem ersten Roman „Hawaii“ hat der junge Autor Cihan Acar, 1986 geboren, einen Sensationserfolg gelandet und Heilbronn – und sein ehemaliges „Problem“-Viertel – auf der literarischen Landkarte platziert. „Hawaii“, eine spannende, zuspitzende Mischung aus gesellschaftspolitischer Nahaufnahme, Roadtrip und Entwicklungsroman, erhielt 2020 den Literaturpreis der Doppelfeld Stiftung und stand auf der Shortlist für den „Aspekte“-Literaturpreis. Das Theater Heilbronn hat sich die ­Rechte für die Uraufführung gesichert und mit Nurkan Erpulat einen mehrfach preisgekrönten Regisseur verpflichtet, der „Hawaii“ als pralle Schauspielfassung auf die Bühne des Großen Hauses bringen wird.

Wie verbindet sich das Leben einer jüdischen Malerin aus dem Hamburg von 1933 mit einer britischen Antifaschistin? In welcher Beziehung steht eine Menschenrechtsaktivistin mit einer Teenagerin, die sich verbrennt? Scheinbar nicht viel, doch treffen sich ihre Lebenslinien immer am Knotenpunkt von prekären Körpern und unaufhaltsamen Widerstand. 

Geister der Vergangenheit treten in der performativen Installation „Anita, Agnes, Anna, Binefş, Berfîn, Berîtan“ in einem zeitdurchschreitenden Dialog auf Performer:innen der Gegenwart. Eine polyphone Séance, die die Kraft und Fragilität menschlicher Handlungsspielräume beschwört.

Es war der schlimmste Terroranschlag in der Geschichte der Bundesrepublik. Und trotzdem hat er kaum Eingang in die kollektive Erinnerung dieses Landes gefunden (anders als beispielsweise 9/11 in den USA). Warum das so ist, davon erzählt dieser Abend. Vor allem aber erzählt er die Geschichten der Überlebenden und Betroffenen des Anschlags. Das Projekt konzentriert sich auf die persönlichen Folgen, die solche Anschläge haben – und wie wir als Gesellschaft mit den von rechter Gewalt Betroffenen umgehen.

Wir befinden uns in der Weimarer Republik, wir befinden uns im Jahr 2021. Der Ort ist ein Wald, ein Bunker, eine Stadt. Die Menschen dort heimgesucht von ihrer Vergangenheit oder geschichtsvergessen. Geschichte wiederholt sich und holt ein. Mit seinem Stück „Sladek“ widmete sich Ödön von Horváth einem finsteren Kapitel der Weimarer Republik, der Schwarzen Armee. Diese paramilitärischen Ableger der Reichswehr waren frühe Indikatoren für die Greuel, die im Dritten Reich folgen würden. Am Beispiel des Soldaten Sladek erzählt Horvath vom Verlust der Menschlichkeit und der furchterregenden Macht der Gruppe.

In Lizzy Timmers Inszenierung des Stoffs überlagert sich die historische Erzählung mit Vignetten der Gegenwart, Sladek wandert geisterhaft-grotesk durch die Zeiten, eingebunden in ein großes musiktheatrales Räderwerk der Geschichte und der Bilder.

Am 25. April 2007 wurde auf der Theresienwiese in Heilbronn die Polizistin Michèle Kiesewetter erschossen, ihr Kollege Martin Arnold durch einen Kopfschuss lebensgefährlich verletzt. Was die Täter und den Tathergang angeht, gibt es bis heute große Un­klar­hei­ten. Kam es schon in der von der ­Heilbronner Poli­zei­direktion gegründeten Sonderkommission „Park­platz“ zu gravierenden Ermittlungspannen, wurde die Tat nach der Enttarnung des NSU am 4. November 2011 durch Indizienfunde vollständig den beiden Mitgliedern der rechten Terrorzelle Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zugeschrieben.

Andere relevante Ermittlungsergebnisse der SOKO „Parkplatz“ vor dem November 2011, etwa zu weiteren Tatbeteiligten, wurden zugunsten der Präsentation eines öffentlichkeitswirksamen Erfolges offenbar absichtsvoll in den Hintergrund gedrängt. Trotz mehrerer Untersuchungsausschüsse, die sich sowohl im Stuttgarter Landtag wie im Bundestag mit dem Verbrechen und dem Versagen der staatlichen Ermittlungsorgane befasst haben, bleibt die Tat, die vielen Sachverständigen als Schlüssel zur Aufklärung des NSU-Komplexes gilt, weiterhin ein Rätsel. Immer wieder in den Blick geraten ist in der juristischen und medialen Auseinandersetzung mit dem Kiesewetter-Mord die Frage nach dem Tatort selbst. Warum gerade Heilbronn? Welchen Bezug gibt es zwischen der politisch unscheinbaren baden-württembergischen Industrie- und Weinstadt am Neckar und den rechtsradikalen NSU-Terroristen aus Thüringen? Wie hat die Stadt auf den Mord reagiert? Und welche Spuren hat er dort hinterlassen?

Das dokumentarische Recherche-Projekt „Verschlusssache“ von Regine Dura und Hans-Werner Kroesinger widmet sich ganz dem lokalen Ereignis des Kiesewetter-Mordes und dessen Folgen. Es geht der Frage nach, was mit dem Mord und den Reaktionen darauf in der Stadt sichtbar geworden ist – und welche Rückschlüsse sich daraus auf den Zustand unserer zivilen Gesellschaft ziehen lassen. Ausgehend von dem konkreten Ereignis werden Linien gezogen: Zu seinen Ursachen in der Vergangenheit und seinen möglichen Konsequenzen für unsere Zukunft. Dura und Kroesinger entwerfen so ein Stück spezifisch für die Stadt Heilbronn, um die Verhältnisse unter der theatralen Lupe schärfer erkennbar werden zu lassen.

„Es sind die Frauen, die als Bindeglied der Szene zur bürgerlichen Welt und Kommunalpolitik fungieren“, so eine von vielen weiblichen Stimmen aus der Rechten Szene, jedoch eine hörbare Aussteigerin, die Zeugnis ablegt von ihrer schrittweisen Radikalisierung. Doch es gibt auch andere, ungebrochene Stimmen. So die politische Kandidatin, die öffentlich die „nationale Wende“ fordert, die unscheinbare Siedlerin auf dem Bauernhof, die still im Hintergrund agiert oder die populäre Bloggerin, die rechte Ideologien im Netz supportet und für eine junge Generation salonfähig macht. Wie verschieden sind die Strategien und Positionen in der Stimmenvielfalt wirklich? Oder gilt für Frauen weiterhin schlicht das alte Diktum von Volkserhalt und Kindererziehung? So unterschiedlich die Erscheinungsformen auch sein mögen: Frauen werden in der Bewertung der Neuen Rechten oft unterschätzt, vielmehr fliegen sie unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung durch. Doch Fakt ist: Es gibt sie und sie sind nicht wenige.

Die Inszenierung setzt sich mit der Vielfalt zwischen rechtskonservativer Tradition und emanzipatorischem Gedankengut auseinander, um diese Frauen in ihren gesellschaftlichen Positionen les- und erkennbar zu machen.