Der dritte und gleichnamige Teil des Projekts »Die mutige Mehrheit« ist ein analog- digitales Kettenbriefprojekt, das unterschiedliche Stimmen dazu einfängt, wie wir unsere Zukunft einer mutigen Mehrheit gestalten wollen. Hier müsst ihr Farbe bekennen und euch gegenseitig inspirieren.

Genaue Informationen finden Sie auf https://www.theaterhaus-jena.de/

In ihrer Live-Performance schafft die Künstlerin einen akustischen Erinnerungsraum für die durch den NSU Ermordeten. Sie hält Passant:innen dazu an, die richtige Aussprache der Namen zu lernen und zu üben. Im kollektiven Praktizieren dieser Ausspracheübungen schwillt ein Chor an, der gedenkt. Ihre Installation ist als filmischer Beitrag Teil der Ausstellung Offener Prozess.

Was tun Menschen, wenn sie eine Krise zu bewältigen haben, sie wahrgenommen, erinnert werden wollen, wenn sie etwas zu sagen haben und nicht gehört werden, ihnen die Stimme fehlt? Viele bleiben stumm, andere haben jedoch die Kraft, sich auch friedlich hörbar zu machen. In Spanien oder der Türkei hat das nächtliche Klappern mit Topfdeckeln eine lange Tradition in der Protestbewegung. Hier geben sich Menschen laut und vernehmlich eine Stimme, nach dem Motto: „Wer trommelt, schlägt keine Köpfe ein.“

Kinder und Jugendliche aus Rostock und Umgebung entwickeln gemeinsam mit dem Schlagzeuger und Percussionisten Daniel Eichholz, dem Musiker Christian Kuzio und Tänzer:innen des Rostocker Volkstheaters eine kollektive Performance als gewaltfreies und doch physisches Symbol eines kollektiven Widerstands. Instrumente werden aus Schrott gebaut, aus verschiedenen Utensilien entstehen Klangkörper und ein heterogenes rhythmisches Material wird gemeinsam entwickelt. Gruppen von Kindern und Jugendlichen bewegen sich in einem lauten Sternmarsch durch die Stadt, um ihrer Anwesenheit und ihren Träumen/ Hoffnungen? einen Klang und eine Stimme zu geben. Auf ihren Wegen werden die Anwohner:innen zur Interaktion aufgefordert, ihre Fenster zu öffnen und mitzuklappern. Auf einem zentralen Platz findet das Ritual der Rebellion ihren Höhepunkt und die Instrumente werden zu einem „Altar der Anwesenheit“ aufgetürmt. 

DIE ANWESENHEIT DES MENSCHEN / İNSANIN VARLIĞI ist Teil des polytopischen Oratoriums MANİFEST(O) von Marc Sinan, das gleichzeitig acht Städte musikalisch miteinander verbindet.

Der größte Schmerz ist der Verlust. Es ist der tiefste Schmerz, der unheilbar ist. Wer hat das getan, warum ist niemand eingeschritten, warum hat niemand, weder Mensch noch ein Gott das verhindert? Wie können wir mit Verlusten umgehen?

Die St. Martinskirche in Kassel ist der Ereignisort einer immersiven Installation, in der das Publikum mit dem Klang einer Kirchorgel interagiert. Die Orgel ist dabei vollständig über Sensoren gesteuert und reagiert auf Zuhörer:innen, die sich in den Kirchenraum begeben. Die Intensität der Klänge ist abhängig von den Bewegungen der Menschen im Raum. Ist die Kirche leer, pulsiert die Musik, je voller der Raum wird, umso zarter und fragiler werden die Klänge, bis hin zu vollständiger Stille, in der nur die Stimme eines Kindes hörbar wird. Fragen nach Gemeinschaft und Verlust sind die Themen dieser Performance.

DIE ABWESENHEIT GOTTES / TANRI’NIN YOKLUĞU ist Teil des polytopischen Oratoriums MANİFEST(O) von Marc Sinan, das gleichzeitig acht Städte musikalisch miteinander verbindet.

In Kooperation mit den Kasseler Musiktagen

Marc Sinans polytopisches Oratorium MANİFEST(O) (türkisch für „Manifest“) vereint acht, an Schlüsselorten der Taten des sogenannten NSU aufgeführte Einzelperformances in einem abendfüllenden Werk. Aus einzelnen Stimmen entsteht MANİFEST(O) als grenzüberschreitendes, Geschichte und Orte verbindendes Oratorium mit Orchester, Chören und Solist:innen. Negative Energien der Verbrechen werden aufgenommen, Grundfragen von Vergeltung und Neuanfang diskutiert und in einer ethischen Utopie verarbeitet. Das Oratorium MANİFEST(O) und sieben Einzelperformances, DIE ABWESENHEIT GOTTES / TANRI’NIN YOKLUĞU – BLINDE LIEBE / KÖR AŞK – DIE ANWESENHEIT DES MENSCHEN / İNSANIN VARLIĞI – DER ALTAR DER RACHE / İNTİKAM SUNAĞI – GLÜHENDER HASS / YANAN NEFRET – GLEISSENDES LICHT / PARLAYAN NUR – DER CHOR DER VERGEBUNG / AFFETME KOROSU, finden dabei stets gleichzeitig an verschiedenen Orten statt und sind digital miteinander verbunden.

Aus sieben Städten werden an drei Abenden Teile der dort stattfindenden Performances sicht- und hörbar nach Jena und Nürnberg übertragen und mischen sich präzise koordiniert in das abendfüllende Oratorium. Die Jenaer Philharmonie mit Orchester, Knabenchor und Jenaer Madrigalkreis sowie die Staatsphilharmonie Nürnberg bilden den unmittelbaren künstlerischen Rahmen und zugleich das musikalische Zentrum in Jena bzw. Nürnberg. Geführt und befragt von der Stimme und den Gedanken eines jungen Mädchens, entsteht in einer Zeit, in der Werte korrodieren und relativiert werden, ein Manifest der grenzüberschreitenden Anwesenheit des Menschen, der Erinnerung und Hoffnung. MANİFEST(O) ist ein Oratorium, das Orte, Haltungen, Kulturen, Chöre und Solist:innen, Orchester und das Publikum gleichermaßen verbinden kann.

Wie kann eine Tat, wie der Mord an Mitbürger:innen, gesühnt werden? Es gibt Schulden, die sind nicht abzahlbar. Aber vielleicht ist gerade das Erinnern die einzig wirkungsvolle Sühne und Vergeltung.

Der blinde Klarinettist Oğuz Büyükberber bewegt sich in Heilbronn, Zwickau und München zu den Tat- und Gedenkorten der Morde des sogenannten NSU. Hier improvisiert er jeweils an einem oder mehreren Orten einen musikalischen Dialog mit den Toten. Genährt von Trauma, Wut und Hass sind diese Konzerte, die Büyükberber spielt, schmerzvolle, hoch energetische, wütende Zwiegespräche mit der Vergangenheit und einem gegenwärtigen Publikum. Begleitet wird der Klarinettist bei all seinen Konzerten von der Stimme eines toten Mädchens, das selbst zum Opfer rassistischen Terrors wurde.  

GLÜHENDER HASS / YANAN NEFRET ist Teil des polytopischen Oratoriums MANİFEST(O) von Marc Sinan, das gleichzeitig acht Städte musikalisch miteinander verbindet.

Wie die Trauer und die Wahrheiten über untilgbare Taten bleiben, so haben auch die Hoffnung und der Glaube an eine gemeinsame Zukunft Bestand. Denn es gibt sie, jene Menschen, die bis heute nicht loslassen, die für uns und für die ganze Gesellschaft um die Wahrheit kämpfen, die dafür sorgen, das nichts vergessen wird. Es ist noch nicht vorbei und eine gemeinsame Welt möglich, in der der Mensch viel sein kann, selbst wenn er wenig hat oder wenig scheint.

Die Sängerin und Bağlama-Spielerin Derya Yıldırım entwickelt gemeinsam mit der Percussionistin Greta Eacott und dem Sounddesigner Tobias Levin ein dichtes musikalisches Programm jenseits traditioneller Zuschreibungen. Es entstehen Klänge zwischen Elektronik und archaischer anatolischer Musik, die vom Glauben an wie über die Schwierigkeiten des Zusammenlebens erzählen. Diese einzigartige Performance ist in Hamburg auf Kampnagel und im Chemnitzer Weltecho zu erleben.

BLINDE LIEBE / KÖR AŞK ist Teil des polytopischen Oratoriums MANİFEST(O) von Marc Sinan, das gleichzeitig acht Städte musikalisch miteinander verbindet.

Viele Opfer von Terrorakten und deren Angehörige warten weltweit wie auch in Deutschland noch immer auf ein klares Zeichen, ein abschließendes Urteil, dass endlich Gerechtigkeit geschieht oder zumindest „versucht“ wird. Genozide, Morde, von Staaten, Gruppen oder Einzelpersonen begangen – unsere Geschichte ist voll von Opfern und voll von Menschen, die auf Gerechtigkeit warten. Wann werden diese Menschen sagen dürfen, dass Gerechtigkeit geschehen ist? Wann wird es wieder hell, wann scheint wieder gleißendes Licht?

Der Pianist Emre Elivar setzt mit seiner Performance ein Zeichen und erinnert mit und durch die Komposition von Marc Sinan zugleich an die Schönheit wie die dunklen Abgründe menschlichen Handelns. In sechs Städten spielt Elivar auf einem Konzertflügel in Konzertsälen, an Bahnhöfen und auf öffentlichen Plätzen. Musikalisch ist das Programm ein Treffen der Gegensätze, eine wahnwitzige Überschreibung von Beethovens 5. Klavierkonzert, gerahmt von Kompositionen Haydns, Beethovens und Mendelssohns.

GLEISSENDES LICHT / PARLAYAN NUR ist Teil des polytopischen Oratoriums MANİFEST(O) von Marc Sinan, das gleichzeitig acht Städte musikalisch miteinander verbindet.

Die Tanzcompagnie des Volkstheaters hat über das Frauenbildungsnetz Kontakt zu neun Frauen aufgenommen, die als Migrantinnen nach Rostock gekommen sind und hier leben. Was haben sie von ihren Erlebnissen und ihren Lebenserfahrungen mitzuteilen? In Videosequenzen werden Momente ihres Alltagslebens eingefangen, nimmt das Publikum Anteil an ihren Gedanken und Gefühlen sowie an ihren Begegnungen mit Tänzerinnen und Tänzern der Compagnie. Diese treten aus dem Video heraus und setzen die Situationen in einer Live-Performance fort, übersetzen die Mitteilungen der Frauen in Bewegung und Tanz.