In der Nacht zum 25. März 1945 feiert man auf Schloss Rechnitz ein rauschendes Fest. Als Höhepunkt werden gegen Mitternacht an die 200 jüdische Zwangsarbeiter von einer Schar Gäste in Partylaune erschossen. Die Gastgeber fliehen ins Ausland, das Schloss geht in Flammen auf. Nach dem Krieg verschwinden Zeugen, Strafverfahren verlaufen im Sand, das Massengrab bleibt bis heute unentdeckt, es herrscht Schweigen.
Knapp 60 Jahre später zieht eine rechtsextreme Terrorzelle über 13 Jahre lang unbehelligt quer durch Deutschland und ermordet Menschen. Ein missglückter Banküberfall führt zur Enttarnung, die Wohnung geht in Flammen auf, zwei Täter fliehen in den Selbstmord. Im Strafprozess bleiben Zeugen blind und stumm, Beweismaterialien verschwinden, es herrscht Schweigen. „Rechnitz (Der Würgeengel)“, das zentrale Werk Jelineks zu den Nazi-Verbrechen und unserem Umgang damit, wird in Verbindung gebracht mit dem „Schweigenden Mädchen“, ihrer großformatigen Auseinandersetzung mit den NSU-Morden und -Prozessen. Die Linie von der Vergangenheit in die Gegenwart wird umspielt von Jelineks „Wolken.Heim“, einer Kolportage deutscher Geistes- und Seelenbilder, die nach dem Verhältnis des Beschriebenen zu Nation und Nationalismus fragt.
Der Nürnberger Schauspieldirektor Jan Philipp Gloger, der zuletzt „Das Licht im Kasten (Straße? Stadt? Nicht mit mir!)“ am Düsseldorfer Schauspielhaus uraufführte, setzt sich zum vierten Mal mit den Texten der Literaturnobelpreisträgerin auseinander.